Verfahrensordnung der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Oktober 2000, zuletzt geändert durch Beschluss des 82. Bayerischen Ärztinnen- und Ärztetages vom 15. Oktober 2023 (Bayerisches Ärzteblatt 12/2023, S. 594)
Inkraftgetreten am 01.06.2024 • Veröffentlicht in Bayerisches Ärzteblatt 12/2023, S. 594
Auf Grund Nr. 12 des Beschlusses des 53. Bayerischen Ärztetages vom 8. Oktober 2000 zur Änderung der Geschäfts- und Verfahrensordnung der Gutachter- und Schlichtungsstelle der Bayerischen Landesärztekammer in der Fassung des Beschlusses des 50. Bayerischen Ärztetages 1997 (Bayerisches Ärzteblatt 12/2000, S. 569) wird nachstehend der Wortlaut der Verfahrensordnung der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen bei der Bayerischen Landesärztekammer unter ihrer neuen Überschrift in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung bekannt gemacht.
§ 1
Einrichtung und Aufgaben
(1)
Bei der Bayerischen Landesärztekammer besteht eine unabhängige Gutachterstelle für ärztliche Behandlungsfehler.
Sie kann bei Streitigkeiten wegen der Vermutung oder des Vorwurfs fehlerhafter ärztlicher Behandlung angerufen werden.
(2)
Aufgabe dieser Gutachterstelle ist es, durch objektive Prüfung oder Begutachtung ärztlichen Handelns Patienten die Durchsetzung begründeter Ansprüche und Ärzten die Zurückweisung unbegründeter Vorwürfe zu erleichtern.
Bei Streitigkeiten zwischen Patient und Arzt ist durch fachliche Begutachtung festzuslellen, ob eine fehlerhafte ärztliche Behandlung vorliegt, die einen gesundheitlichen Schaden des Patienten verursacht hat.
Dazu gibt die Gutachterstelle auf schriftlichen Antrag eine Stellungnahme ab; sie trifft keine die gerichtliche Nachprüfung ausschließende Entscheidung.
Das Verfahren ist kein Schiedsverfahren im Sinne der Zivilprozessordnung.
Die Aufgaben des Vermittlers auf der Ebene eines ärztlichen Kreisverbandes (Artikel 37 Heilberufe-Kammergesetz – HKaG) bei Streitigkeiten zwischen Arzt und Nichtarzt bleiben unberührt.
§ 2
Zusammensetzung
(1)
Die Gutachterstelle ist besetzt mit Ärzten und Juristen mit der Befähigung zum Richteramt (entscheidungsbefugte Mitglieder).
Die Gutachterstelle wird von einem Arzt als Vorsitzenden und einem Juristen geleitet; für beide sind Stellvertreter zu benennen.
Weiterhin besteht ein Beirat, dem Ärzte der einschlägigen Fachrichtungen angehören.
(2)
Die Gutachterstelle entscheidet in der Besetzung mit einem Arzt und einem Juristen mit der Befähigung zum Richteramt.
(3)
Der Vorstand der Bayerischen Landesärztekammer bestellt für die Dauer seiner Wahlperiode die Leitung und die entscheidungsbefugten Mitglieder der Gutachterstelle und ihre Stellvertreter.
Mitglieder des Beirats werden vom Vorstand der Bayerischen Landesärztekammer auf unbestimmte Zeit berufen.
(4)
Vorstandsmitglieder der Bayerischen Landesärztekammer können nicht Mitglieder der Gutachterstelle sein.
(5)
Ein Mitglied kann seine Tätigkeit in der Gutachterstelle jederzeit durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Vorstand der Bayerischen Landesärztekammer beenden.
§ 3
Unabhängigkeit und Pflichten der Mitglieder
(1)
Die Mitglieder der Gutachterstelle sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.
Sie sind nur ihrem Gewissen und ihrer ärztlichen oder rechtlichen Überzeugung verantwortlich.
Sie sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.
(2)
Ein Mitglied der Gutachterstelle oder ein Mitglied des Beirates, das bereits vor Einleitung des Verfahrens mit dem Fall befasst war, ist von der Mitwirkung ausgeschlossen.
§ 4
Anträge, Verfahren und Beschlussfassung
(1)
Anträge, die auf Untersuchungen oder Behandlungen beruhen, die länger als 5 Jahre zurückliegen, kann die Gutachterstelle ohne sachliche Prüfung abweisen.
Ist oder war der verfahrensgegenständliche Sachverhalt in irgendeiner Weise (z. B. Strafanzeige, Prozesskostenhilfeersuchen, Klage usw.) Gegenstand eines zivil- oder strafgerichtlichen oder eines staatsanwaltschaftlichen Verfahrens, wird die Gutachterstelle nicht mehr tätig.
Sind nach Art, Dauer und Auswirkung nur geringfügige Beeinträchtigungen vorhanden oder zu erwarten, kann die Leitung den Antrag ohne weitere Begründung zurückweisen, wenn die Durchführung eines Verfahrens wegen des damit verbundenen Aufwandes zur Sachaufklärung nicht vertretbar ist.
Nicht tätig wird die Gutachterstelle ebenfalls im Zusammenhang mit der Erstattung von ärztlichen Gutachten (z. B. Medizinischer Dienst der Krankenkassen, Versorgungsamt).
(2)
Das Verfahren wird mit einem formlosen elektronischen Antrag eingeleitet, der eine Darstellung des Sachverhaltes aus der Sicht des Antragstellers enthalten muss.
Die Antragstellung hat über die hierfür vorgesehene Plattform zu erfolgen.
In Ausnahmefällen kann die Antragstellung auch auf andere Weise erfolgen.
Die behaupteten haftungsbegründenden Tatsachen für eine Verletzung der Regeln ärztlicher Kunst sind möglichst schlüssig darzulegen; dabei sollen antragstellende Patienten das Formblatt der Gutachterstelle verwenden.
(3)
Antragsberechtigt und damit Beteiligte sind der Patient, der behandelnde Arzt und/oder das Krankenhaus oder die ärztlich geleitete Einrichtung sowie deren jeweilige Haftpflichtversicherung.
(4)
Ein Gutachterverfahren setzt das Einverständnis aller Beteiligten voraus.
(5)
Die Gutachterstelle hat, soweit möglich, den medizinischen Sachverhalt aufzuklären.
(6)
Zur Feststellung, ob eine schuldhafte fehlerhafte ärztliche Behandlung bei dem Patienten einen Gesundheitsschaden verursacht hat, ist in der Regel ein Gutachten von einem Sachverständigen des betroffenen Fachgebietes einzuholen, der auch Mitglied des Beirats sein kann.
(7)
Über wesentliche Verfahrensschritte, insbesondere den Gutachtensauftrag und das Ergebnis des eingeholten Gutachtens, sind die Verfahrensbeteiligten mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zu informieren.
(8)
Aufgrund der Ermittlungsergebnisse gibt die Gutachterstelle abschließend eine mit Gründen versehene Stellungnahme darüber ab, ob eine fehlerhafte ärztliche Behandlung festgestellt wird oder nicht.
(9)
Das Verfahren vor der Gutachterstelle wird grundsätzlich in Form einer elektronischen Akte geführt.
§ 5
Kosten
(1)
Für die Beteiligten ist das Verfahren bei der Gutachterstelle kostenlos; sie tragen jedoch ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten ihrer Rechtsvertretung selbst.
(2)
Von den Haftpflichtversicherungen der Ärzte und Krankenhäuser werden Pauschalgebühren nach näherer Vereinbarung erhoben.
Mit Zustimmung zum Verfahren erklärt die Haftpflichtversicherung ihre Bereitschaft, die externen Kosten der Gutachterstelle zu tragen.
Sind mehrere Ärzte bzw. Krankenhäuser am Verfahren beteiligt, werden die Kosten anteilig auf ihre Haftpflichtversicherer umgelegt.
Die Entschädigung von Sachverständigen richtet sich nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in der jeweils geltenden Fassung.
(3)
Die Bayerische Landesärztekammer stellt für die Tätigkeit der Gutachterstelle die notwendigen personellen und sächlichen Mittel zur Verfügung.