ÄKBV München: Akuter Handlungsbedarf hinsichtlich Sars-CoV-2 in den bayerischen Flüchtlingsunterkünften und AnkER-Zentren/ Offener Brief

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Pressemeldung — 06.05.2020

Sehr geehr­ter Herr Minis­ter­prä­si­dent Söder,
sehr geehrte Frau Staats­mi­nis­te­rin Huml,
sehr geehr­ter Herr Ober­bür­ger­meis­ter Reiter,
sehr geehrte Frau Jacobs,
sehr geehrte Damen und Herren,

im Ärzt­li­chen Kreis- und Bezirks­ver­band (ÄKBV) München hat sich der Ausschuss für Sozi­ale und Menschen­rechts­fra­gen in seiner Sitzung am 28. April 2020 einge­hend mit dem „APPELL VON ÄRZTIN­NEN UND ÄRZTEN ZUR CORONA-PANDE­MIE Gleich­be­hand­lung für alle!“ befasst. Auf Grund der drama­ti­schen Entwick­lung in den Flücht­lings­un­ter­künf­ten und AnkER-Zentren besteht nach unse­rer Ansicht akuter Hand­lungs­be­darf, um weitere Todes­fälle und schwere Erkran­kun­gen durch Sars-CoV-2 zu verhin­dern.

Um medi­zi­ni­schen, infek­tio­lo­gi­schen und epide­mi­o­lo­gi­schen Krite­rien zu genü­gen und ange­sichts der Unmög­lich­keit, die notwen­di­gen Hygi­ene- und Abstands­re­geln einzu­hal­ten, ist folgen­des Vorge­hen erfor­der­lich (analog zu Alten- und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen):

  1. Menschen in Massen­un­ter­künf­ten wie Flücht­lings­un­ter­künf­ten oder AnkER-Zentren gelten nach den Ausfüh­run­gen der WHO als vergleich­bar vulne­ra­ble Grup­pen wie Menschen in Pfle­ge­hei­men oder Klini­ken. Wenn daher in einer Massen­un­ter­kunft eine oder mehrere Perso­nen posi­tiv auf Sars-CoV-2 (PCR) getes­tet wurden, müssen gemäß WHO-Empfeh­lung alle Bewoh­ner dieser Einrich­tun­gen -, getes­tet werden, weil bei den derzei­ti­gen
    Unter­brin­gungs­ver­hält­nis­sen damit zu rech­nen ist, dass weitere Bewoh­ner bereits Virus­trä­ger ohne Krank­heits­sym­pto­ma­tik sind und somit andere anste­cken können. Das RKI hat sich in seinen Empfeh­lun­gen vom 2.5. 2020 bisher zu der Proble­ma­tik in AnkER-Zentren oder Flücht­lings­un­ter­künf­ten noch nicht posi­tio­niert, weswe­gen bis auf weite­res die Empfeh­lun­gen der WHO dazu als Grund­lage dienen müssen.

  2. Ist Sars-CoV-2 nach­ge­wie­sen, sind dieje­ni­gen mit schwe­rer Sympto­ma­tik in ein Kran­ken­haus einzu­wei­sen. Um eine Infek­tion weite­rer Bewoh­ner zu verhin­dern, werden auch dieje­ni­gen, die nur milde Symptome haben, in eine Unter­kunft verlegt, in der nur posi­tive Getes­tete versorgt werden.

  3. Nega­tiv Getes­tete in den offe­nen Unter­künf­ten müssen für zwei Wochen in Quaran­täne blei­ben. Sofern sie keine Sympto­ma­tik entwi­ckeln, sind sie nach diesen zwei Wochen erneut zu testen. Sollte der Test wieder nega­tiv ausfal­len, kann die Quaran­täne aufge­ho­ben werden. Soll­ten in diesem Zeit­raum aber Symptome auftre­ten bzw. der abschlie­ßende Test auch ohne Sympto­ma­tik posi­tiv auf Sars-CoV-2 ausfal­len, so ist wie unter Punkt 2 zu verfah­ren. In den AnkER-Zentren und -Depen­dan­cen ist sowohl für nega­tiv Getes­tete als auch für in Quaran­täne Befind­li­che die psycho­so­zi­ale Betreu­ung durch Fach­per­so­nal von außen zu gewähr­leis­ten.

  4. Auch die Betreu­ungs­per­so­nen und die in den Massen­un­ter­künf­ten Beschäf­tig­ten sind regel­mä­ßig zu testen.

Durch diese einfa­chen Maßnah­men werden weitere Infek­ti­o­nen, mögli­che Todes­fälle und mensch­li­ches Leid verhin­dert und Kosten gespart.

Wenn die notwen­di­gen Maßnah­men nicht ergrif­fen werden, ist zumin­dest entspre­chend einem Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Leip­zig (AZ 3 L 204/20.A vom 22.4.2020) eine Unter­brin­gung der Flücht­linge und Asyl­be­wer­ber unter den Bedin­gun­gen einer Gemein­schafts­un­ter­kunft auch recht­lich nicht mehr möglich.

Wir befin­den uns sicher­lich in Über­ein­stim­mung mit den einschlä­gi­gen Viro­lo­gen und Epide­mi­o­lo­gen, dass zur Beur­tei­lung der Frage, ob eine ausrei­chende medi­zi­ni­sche Versor­gung der Bewoh­ner in den Unter­künf­ten für Geflüch­tete und AnkER-Zentren erfolgt, im wesent­li­chen folgende Zahlen zur Verfü­gung stehen müssen

• die Gesamt­an­zahl der Bewoh­ner,
• die Zahl der bisher durch­ge­führ­ten Testun­gen auf Sars-CoV-2,
• die Zahl der derzeit in den Unter­künf­ten an COVID-19 Erkrank­ten und
• die Zahl der derzeit in den Unter­künf­ten auf Sars-CoV-2 posi­tiv Getes­te­ten ohne Sympto­ma­tik.

Für weitere Rück­fra­gen stehen wir Ihnen gerne unter sekre­ta­ri­a­t@aekbv.de oder 089 54711610 zur Verfü­gung.

Freund­li­che Grüße

gez.

Dr. med. Chri­s­toph Emmin­ger, Vorsit­zen­der

Dr. Josef Pilz, 2. Vorsit­zen­der

Dr. Sybille von Bibra, Spre­che­rin der Ausschus­ses Sozi­ale und Menschen­rechts­fra­gen

Ärzt­li­cher Kreis und Bezirks­ver­band München
München, den 06.05.2020

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