Luftschadstoffe und Klimaveränderungen – vorbeugender Gesundheitsschutz für Münchens Bevölkerung

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Pressemeldung — 11.10.2019

Die 135. Dele­gier­ten­ver­samm­lung hat am 26. Septem­ber 2019 das folgende Posi­ti­ons­pa­pier beschlos­sen:
Aufgabe des Arztes ist es, das Leben zu erhal­ten, die Gesund­heit zu schüt­zen und wieder­her­zu­stel­len… und an der Erhal­tung der natür­li­chen Lebens­grund­la­gen im Hinblick auf ihre Bedeu­tung für die Gesund­heit der Menschen mitzu­wir­ken. (§ 1, 2 Berufs­ord­nung für die Ärzte Bayerns)
Münchens Ärztin­nen und Ärzte sind mit den krank­heits­ver­ur­sa­chen­den Folgen von Klima­ver­än­de­rung und Luft­schad­s­toff­be­las­tung bei der Behand­lung ihrer Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten unmit­tel­bar befasst. Die Luft­ver­schmut­zung der Außen­luft steht in Deut­sch­land auf Platz 10 der führen­den Risi­ko­fak­to­ren für die allge­meine Krank­heits­last. Nach­weis­bare Lang­zeit­ef­fekte durch die Expo­si­tion gegen­über Luft­schad­s­tof­fen umfas­sen unter ande­rem Exazer­ba­ti­o­nen obstruk­ti­ver Atem­wegs­er­kran­kun­gen (1, 2) ischämi­sche Herz­er­kran­kung und Schlag­an­fall (3, 4), arte­ri­elle Hyper­to­nie (5), Arte­ri­o­skle­rose (6) und Karzi­nome (insbe­son­dere des Respi­ra­ti­ons­trakts) (7). Außer­dem beste­hen Asso­zia­ti­o­nen zu Diabe­tes melli­tus Typ II (8) und Demen­z­er­kran­kun­gen (9, 10). Beispiel­haft sei hier die gestei­gerte Morta­li­tät an obstruk­ti­ven Atem­wegs­er­kran­kun­gen um bis zu 4,8 % genannt (11).
Eine zuneh­mende Anzahl quali­ta­tiv hoch­wer­ti­ger epide­mi­o­lo­gi­scher Studien bele­gen die nega­ti­ven Auswir­kun­gen auf die Gesund­heit (12) . Für die meis­ten dieser Erkran­kun­gen stehen nach wie vor nur wenige kausale Thera­pien zur Verfü­gung. Daher kommt der Präven­tion eine wesent­li­che Bedeu­tung zu.
Die gesund­heit­li­chen Auswir­kun­gen sind insbe­son­dere für die verschie­de­nen Größen­frak­ti­o­nen des Fein­sta­u­bes in zahl­rei­chen Studien gut belegt (13). Eine Diffe­ren­zie­rung der Effekte einzel­ner Schad­s­toff­kom­po­nente ist schwie­rig, ist aber auch für den Gesund­heits­schutz aus medi­zi­ni­scher Sicht nicht zwin­gend erfor­der­lich.
Die Dele­gier­ten des Ärzt­li­chen Kreis- und Bezirks­ver­bands München (Münchens Ärzte­pa­r­la­ment) halten im Sinne eines vorbeu­gen­den Gesund­heits­schut­zes eine substan­zi­elle Verbes­se­rung der Luft­qua­li­tät im Raum München für drin­gend notwen­dig. Eine Verrin­ge­rung möglichst aller Luft­schad­s­toffe (v.a. Fein­staub, Stick­oxide, Ozon) ist dabei unab­ding­bar. Vor Verbo­ten soll­ten dabei Aufklä­rung und indi­vi­du­elle Förder­maß­nah­men stehen. Aus der Verant­wor­tung für die Gesun­der­hal­tung aller Münche­ner Bürge­rin­nen und Bürger unter­stützt der ÄKBV München die poli­tisch entschei­dungs­be­fug­ten Vertre­ter der Stadt­ge­sell­schaft, die Parteien, Verbände und andere Orga­ni­sa­ti­o­nen in der zeit­na­hen und ziel­o­ri­en­tier­ten Umset­zung mit folgen­den Empfeh­lun­gen:
Die Förde­rung von:
• emis­si­ons­ar­mer Mobi­li­tät durch entspre­chende Städ­te­pla­nung, z.B. durch inten­si­ven Ausbau des öffent­li­chen Nahver­kehrs und des Radver­kehrs­net­zes,
• abgas­freien, schad­s­toff­ar­men Tech­no­lo­gien, insbe­son­dere von Fahr­zeu­gen, die sich inner­halb der Stadt bewe­gen,
• vernetz­ter Mobi­li­tät und auto­freiem Wohnen,
• vermehr­ten Grün­an­la­gen und Vege­ta­ti­ons­flä­chen,
• der Attrak­ti­vi­tät der schad­s­toff­freien Mobi­li­tät durch- „Grüne Welle“ und Vorrang für Fahr­rad­fah­rer und Fußgän­ger,
• Verhal­ten­sprä­ven­tion im Mobi­li­täts- und Konsum­ver­hal­ten des Einzel­nen im Hinblick auf Art, Größe, und Nutzungs­häu­fig­keit seines Trans­port­mit­tels.
Der ÄKBV fordert zudem:
• den Ausbau eines siche­ren, mehr­spu­ri­gen und durch­gän­gi­gen Radver­kehrs­net­zes,
• Kosten­lose MVV-Nutzung für Kinder und Jugend­li­che bis zum 18. Lebens­jahr, bei Schü­lern, Auszu­bil­den­den und Studen­ten auch darüber hinaus,
• Ausbau einer weit­ge­hend auto­freien Zone inner­halb des Altstadt­rings unter Berück­sich­ti­gung von Liefer- und Anwoh­ner­ver­kehr,
• Einfüh­rung einer City­maut inner­halb des mitt­le­ren Rings,
• die Durch­set­zung eines abso­lu­ten Halte­ver­bo­tes vor Schu­len und Kinder­ta­gess­tät­ten zur Reduk­tion des Verkehrs und der Abgas­be­las­tung.
• die Einhal­tung der Grenz­werte der Münch­ner Mess­ta­ti­o­nen im Sinne des EuGH Urteils (Urt. v. 26.6.2019, Rechts­sa­che C-723/17)
Wir empfeh­len:
• aus medi­zi­ni­scher Sicht das Heizen mit Klein­feu­e­rungs­an­la­gen, auf Grund der hohen Schad­s­toff­be­las­tung, sowohl der Innen-, als auch Außen­luft, auf ein Mini­mum zu redu­zie­ren,
• den Verzicht auf ein indi­vi­du­el­les Feuer­werks an Silves­ter (allein das Silves­ter­feu­er­werk 2018/2019 setzte in Deut­sch­land 4500 Tonnen Fein­staub (PM 10) frei, entspre­chend 16% der jähr­lich im Stra­ßen­ver­kehr abge­ge­be­nen Fein­sta­ub­menge (Umwelt­bun­des­amt 2018, Refe­renz I),
• eine gezielte Aufklä­rung der Bevöl­ke­rung über die gesund­heit­li­chen Effekte der Luft­schad­s­toffe und die Möglich­kei­ten, die indi­vi­du­elle Schad­s­tof­f­ex­po­si­tion zu redu­zie­ren, z.B. Joggen oder Kinder­wa­gen­schie­ben an verkehrs­rei­chen Stra­ßen zu vermei­den (Daten der aktu­el­len Münche­ner Luft­schad­s­toff­be­las­tung, Refe­renz II und III). Hier­bei kann und sollte der soge­nannte „Co-Bene­fit“ durch die posi­ti­ven Effekte der körper­li­chen Betä­ti­gung betont werden.
Der ÄKBV und seine Dele­gier­ten­ver­samm­lung, gesetz­lich ange­hal­ten zur Mitwir­kung an der öffent­li­chen Gesund­heits­pflege, räumen damit einer „Kul­tur der Schad­s­toff­ver­mei­dung“ eine hohe Prio­ri­tät ein.
Sie werden ihren Einfluss geltend machen, dass Münchens Ärztin­nen und Ärzte aktive Mobi­li­tät und gesund­heits­för­dern­des Verhal­ten vorle­ben.

Refe­ren­zen:
I: Dicke Luft Jahres­wech­sel
II: Immis­si­ons­mes­sung Mess­werte
III: Ozon­be­richt

Lite­ra­tur­an­ga­ben:
(1) G Rückerl, R., et al. (2011) Guar­nieri M, Balmes JR: Outdoor air pollu­tion and asthma. Lancet (London, England) 2014, 383(9928):1581–1592.
(2) DeVries R, Krie­bel D, Sama S: Outdoor Air Pollu­tion and COPD-Rela­ted Emer­gency Depart­ment Visits, Hospi­tal Admis­si­ons, and Morta­lity: A Meta-Analy­sis. COPD 2017, 14(1):113–121.
(3) Musta­fic H, Jabre P, Caus­sin C, Murad MH, Esco­lano S, Tafflet M, Perier MC, Mari­jon E, Verne­rey D, Empana JP et al: Main air pollu­tants and myocar­dial infa­rc­tion: a syste­ma­tic review and meta-analy­sis. Jama 2012, 307(7):713–721.
(4) Lee KK, Miller MR, Shah ASV: Air Pollu­tion and Stroke. Jour­nal of stroke 2018, 20(1):2–11.
(5) Liang R, Zhang B, Zhao X, Ruan Y, Lian H, Fan Z: Effect of expos­ure to PM2. 5 on blood pres­sure: a syste­ma­tic review and meta-analy­sis. Jour­nal of hyper­ten­sion 2014, 32(11):2130–2141.
(6) Kauf­man JD, Adar SD, Barr RG, Budoff M, Burke GL, Curl CL, Davi­glus ML, Roux AVD, Gassett AJ, Jacobs Jr DR: Asso­cia­tion between air pollu­tion and coro­nary artery calci­fi­ca­tion within six metro­po­li­tan areas in the USA (the Multi-Ethnic Study of Athe­roscle­ro­sis and Air Pollu­tion): a longi­tu­di­nal cohort study. The Lancet 2016, 388(10045):696–704.
(7) Fajersz­tajn L, Veras M, Barrozo LV, Saldiva P: Air pollu­tion: a poten­ti­ally modi­fia­ble risk factor for lung cancer. Nat Rev Cancer 2013, 13(9):674–678.
(8) Eze IC, Hemkens LG, Bucher HC, Hoff­mann B, Schind­ler C, Kunzli N, Schi­kow­ski T, Probst-Hensch NM: Asso­cia­tion between ambi­ent air pollu­tion and diabe­tes melli­tus in Europe and North America: syste­ma­tic review and meta-analy­sis. Envi­ron Health Perspect 2015, 123(5):381–389.
(9) Oudin A, Fors­berg B, Adolfs­son AN, Lind N, Modig L, Nordin M, Nordin S, Adolfs­son R, Nils­son LG. Traf­fic-Rela­ted Air Pollu­tion and Demen­tia Inci­dence in Northern Sweden: A Longi­tu­di­nal Study. Envi­ron Health Perspect. 2016 Mar;124(3):306–12.
(10) Kiou­mourt­zoglou MA, Schwartz JD, Weiss­kopf MG, Melly SJ, Wang Y, Domi­nici F, Zano­betti A. Long-term PM2.5 Expos­ure and Neuro­lo­gi­cal Hospi­tal Admis­si­ons in the North­e­as­tern United States. Envi­ron Health Perspect. 2016 Jan;124(1):23–9.
(11) DeVries R, Krie­bel D, Sama S: Outdoor Air Pollu­tion and COPD-Rela­ted Emer­gency Depart­ment Visits, Hospi­tal Admis­si­ons, and Morta­lity: A Meta-Analy­sis. COPD 2017, 14(1):113–121.
(12) Thur­ston GD, Kipen H, Annesi-Maesano I, Balmes J, Brook RD, Cromar K, De Matteis S, Foras­tiere F, Fors­berg B, Framp­ton MW, Grigg J, Heede­rik D, Kelly FJ, Kuenzli N, Laum­bach R, Peters A, Raja­go­pa­lan ST, Rich D, Ritz B, Samet JM, Sand­s­trom T, Sigs­gaard T, Sunyer J, Brune­kreef B. A joint ERS/ATS policy state­ment: what consti­tu­tes an adverse health effect of air pollu­tion? An analy­ti­cal frame­work. Eur Respir J. 2017 Jan 11;49(1). pii: 1600419.
(13) Rückerl, R., et al. (2011). „Health effects of parti­cu­late air pollu­tion: a review of epide­mi­o­lo­gi­cal evidence.“ Inha­la­tion toxi­co­logy 23(10): 555–592.

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