Neue Wege in der Patientenversorgung
Pressemeldung — 13.10.2011
„Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im Zeichen eines zunehmenden Fachkräftemangels im Gesundheitswesen bei demografisch bedingtem erhöhtem Versorgungsbedarf der Bevölkerung fordert uns alle zum Umdenken und Einschlagen neuer Wege“, so Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer anlässlich des 70. Bayerischen Ärztetages, der vom 14. – 16. Oktober 2011 in München stattfindet. Vor dem Hintergrund des steigenden medizinischen Versorgungsbedarfs und medizinischen Fortschritts sowie durch eine älter werdende Gesellschaft, immer komplexerer Versorgungsabläufe und enger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen hält Bayerns Ärzte-Chef konkrete Maßnahmen für dringend geboten:
- die Verbesserung der Qualifizierungsmöglichkeiten der Gesundheitsberufe, insbesondere der Medizinischen Fachangestellten (MFA) und der Pflegeberufe,
- die Verbesserung der Attraktivität aller Gesundheitsberufe – Stichworte Vereinbarkeit von Familie und Beruf – sowie bessere Arbeitsbedingungen und Honorierung,
- die Verbesserung der Teamarbeit. Dies bedeute im Krankenhaus flachere Hierarchien und mehr Qualifizierungsmöglichkeiten für Pflegeberufe. In der Praxis muss der Teamgedanke durch verstärkte Einbindung der MFA in den Praxisalltag gelebt werden. Des Weiteren gelte es neue Formen der Zusammenarbeit, wie primäre Versorgungspraxen (PVP), regionale Versorgungszentren (RVZ) und eine versorgungsorientierte Filialisierung zu berücksichtigen.
Eine klare Absage erteilte der Präsident in diesem Zusammenhang jedoch mobilen Versorgungsformen nach Art „fahrender Ambulanzen“. Vielmehr müsse man im ländlichen Raum in Richtung von „Praxen mit wechselnder fachärztlicher Besetzung“ denken.
„Wenn man bedenke, dass bis zum Jahr 2030 allein in Bayern fast 50.000 Ärzte, Krankenschwestern und Altenpfleger fehlten, müsse im Sinne einer guten und effektiven Patientenversorgung die teamorientierte Kooperation von Ärzten und Angehörigen anderer medizinischer Fachberufe noch mehr in den Vordergrund rücken,“ sagte Kaplan. Die Delegation ärztlicher Leistungen an extra dafür qualifizierte Mitarbeiter, insbesondere die durch den Arzt selbst für diese Aufgaben zertifiziert wurden, wirkt sich arztentlastend und –unterstützend aus und schafft Valenzen für die Patientenversorgung.
Hierbei gilt:
- Die ärztliche Gesamtverantwortung für Diagnose und Therapie muss gewahrt bleiben.
- Die persönliche Leistungserbringung des Arztes ist für das ärztliche Berufsbild prägend.
- Es gilt der Facharztstandard.
Die Übertragung bisheriger ärztlicher Leistungen sei jedoch keine „katalogisierte, automatisierte oder regelhafte Delegation in Form einer an bestimmte Krankheitsbilder, wie Hypertonie, Diabetes mellitus oder Demenz festgemachte Heilkundeübertragung“. Es müsste stärker darüber nachgedacht werden, wie und in welchem Umfang – berufsrechtlich flankiert – mehr Leistungen als bisher durch Gesundheitsfachberufe erbracht werden könnten. Dazu brauche es einen gemeinsamen Willens- und Meinungsbildungsprozess unter den Ärztinnen und Ärzten und mit den anderen an der Versorgung beteiligten Heil- und Gesundheitsberufen. „Wir müssen mehr Delegation wagen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Delegation nur im Konsens wirklich erfolgreich sein wird“, so Kaplan. Die Versorgungssicher-heit und damit die Patientensicherheit müsse dabei stets im Mittelpunkt stehen. Je mehr Ärztinnen und Ärzte von nicht originär ärztlichen Aufgaben entlastet werden, desto mehr Zeit haben sie künftig für die ärztliche Patientenversorgung. Das Gesundheitswesen könne durch Delegation (wieder) ein Stück weit humaner werden. „Ich plädiere für mehr Kooperation und mehr Miteinander – sektorenübergreifend, interdisziplinär und interprofessionell“, so der Präsident abschließend.
Umso näher die Gesundheitsberufe zusammenarbeiten, umso weniger Bürokratie ist nötig. Eine neue Vertrauenskultur untereinander und in der Patienten-Arzt-Beziehung erübrigt manches Formular.