17. Suchtforum in Bayern „Grundfragen der medizinischen Verwendung von Cannabis“

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Pressemeldung — 11.04.2018

Seit März 2017 ist Canna­bis in Deut­sch­land als „Medi­ka­ment letz­ter Wahl“ zuge­las­sen. Dieses Groß­ex­pe­ri­ment wird von eini­gen mit Freude, von ande­ren mit Sorge betrach­tet, da die Risi­ken des Miss­brauchs der Verord­nun­gen aus such­me­di­zi­ni­scher Sicht offen­sicht­lich sind. Die Paral­lele zur „Janus­köp­fig­keit“ der Opioide ist dabei zu beach­ten. Das 17. Sucht­fo­rum in Bayern infor­miert über den aktu­el­len Stand der Erkennt­nisse aus Wissen­schaft und Praxis rund um Canna­bis als Medi­zin. Neben phar­ma­zeu­ti­schen Aspek­ten wird Grund­la­gen­wis­sen zur Verord­nung und zum Einsatz von Canna­bis als Arznei­mit­tel vermit­telt. Hier­bei werden ebenso die aktu­el­len Erfah­run­gen aus der Behand­lungs­pra­xis als auch der Begut­ach­tungs­pra­xis des Medi­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­ver­si­che­rung in Bayern berück­sich­tigt.

„Can­na­bis­hal­tige Arznei­mit­tel sind eine sinn­volle Ergän­zung für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit bestim­men schwe­ren Erkran­kun­gen und vor allem für Tumor­pa­ti­en­ten. Canna­bis ist aber auch immer noch ein Rausch­mit­tel und kein Allheil­mit­tel und muss mit Augen­maß verord­net werden. Beach­tet werden muss auch die opti­male Darrei­chungs­fo­rum von Canna­bis-Produk­ten. Aus Pati­en­ten­sicht ist die Kosten­über­nahme durch die Gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung ein wich­ti­ger Punkt. Die vorge­schrie­bene Beglei­ter­he­bung ist zwar ein Mehr­auf­wand für den Arzt, bildet aber eine sinn­volle Daten­grund­lage für zukünf­tige Auswer­tun­gen und Studien“, erklärt Dr. Heide­ma­rie Lux, Sucht­be­auf­tragte des Vorstan­des der Baye­ri­schen Landes­ärz­te­kam­mer (BLÄK).

Ulrich Koczian, Vize­prä­si­dent der Baye­ri­schen Landes­apo­the­ker­kam­mer, stellt klar: „Can­na­bis ist kein ‚All­heil­mit­tel‘, sondern nur eine weitere, in jedem Einzel­fall kritisch zu über­prü­fende, thera­peu­ti­sche Option. Aufgrund der oft fehlen­den Infor­ma­ti­o­nen über Wirk­sam­keit und Sicher­heit ist die Anwen­dung der Canna­bis­blü­ten als ultima ratio vorge­se­hen. Ein beson­de­res Augen­merk ist auf die Dosie­rung zu rich­ten. Das Abmes­sen von Canna­bis­blü­ten ‚nach Gefühl‘ ist für eine medi­zi­ni­sche Anwen­dung nicht zu verant­wor­ten, denn das führt zwangs­läu­fig zu Über- oder Unter­do­sie­run­gen. Wir Apothe­ker empfeh­len deshalb, wenn möglich, auf Rezep­tu­ren oder zuge­las­sene Arznei­mit­tel mit stan­dar­di­sier­ten Inhalts- bzw. Ausgangs­stof­fen zurück­zu­grei­fen.“

Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tret­ter, 2. Vorsit­zen­der der Baye­ri­schen Akade­mie für Sucht­fra­gen in Forschung und Praxis e. V. (BAS), erklärt in seinen Ausfüh­run­gen: „Can­na­bis ist der Name für eine Pflanze, mit Blüten, Blät­tern und Stän­geln als ‚Bau­stei­nen‘, die ihrer­seits etwa 100 mole­ku­lare Wirk­stoffe enthält. Canna­bis-Zube­rei­tun­gen sollen – so die zuge­hö­rige Medi­zin-Geschichte – Krank­hei­ten heilen können. Sicher aber wirkt es als Rausch­mit­tel und kann Abhän­gig­keit erzeu­gen. Für Deut­sch­land bedeu­tet die nun seit einem Jahr mögli­che Ultima-Ratio-Verord­nung von Canna­bis als Medi­zin, dass erst umfang­rei­che Erfah­run­gen gesam­melt werden müssen, um die thera­peu­ti­sche Wirk­sam­keit nach Krite­rien der evidenz­ba­sier­ten Medi­zin (rando­mi­sierte kontrol­lierte Studien) zufrie­den­stel­lend absi­chern zu können. Auch zum Sucht­po­ten­zial von medi­zi­ni­schem Canna­bis müssen noch diffe­ren­zierte und umfas­sende Unter­su­chun­gen durch­ge­führt werden. Demzu­folge sind die Einschät­zun­gen von Fach­leu­ten derzeit äußerst kontro­vers. Sie reichen von Canna­bis als unwirk­sa­mes Mittel oder auch als ‚All­heil­mit­tel‘ bis hin zum Sucht­mit­tel. Aus diesem Grund haben wir seitens der Baye­ri­schen Akade­mie für Sucht- und Gesund­heits­fra­gen gemein­sam mit den Baye­ri­schen Heil­be­ru­fe­kam­mern die Initia­tive ergrif­fen, die Opti­o­nen und Risi­ken von medi­zi­ni­schem Canna­bis im inter­dis­zi­pli­nären Dialog zu sondie­ren.“

Dipl.-Psych. Birgit Gorgas, Vorstands­mit­glied der Baye­ri­schen Landes­kam­mer der Psycho­lo­gi­schen Psycho­the­ra­peu­ten und der Kinder- und Jugend­li­chen­psy­cho­the­ra­peu­ten (PTK Bayern), wünscht sich eine Versach­li­chung der Diskus­sion: „In der medi­zi­ni­schen Anwen­dung wird Canna­bis zur Linde­rung verschie­de­ner Symptome und Erkran­kun­gen einge­setzt, wohin­ge­gen beim indi­vi­du­el­len Konsum der Wunsch nach einer bewusst­seins­ver­än­dern­den Wirkung im Vorder­grund steht. Doch ein regel­mä­ßi­ger Konsum kann auch zu Abhän­gig­keit und weite­ren psychi­schen Störun­gen führen, insbe­son­dere dann, wenn Canna­bis als eine Form der Selbst­me­di­ka­tion einge­setzt wird. Psycho­the­ra­pie kann eine wich­tige Ergän­zung zur medi­zi­ni­schen Behand­lung von Schmerz- oder Krebs­er­kran­kun­gen sein, und sie ist der zentrale Bestand­teil der Behand­lung von Abhän­gig­keits­er­kran­kun­gen. Es ist insge­samt zu wünschen, dass der Diskurs um die Substanz Canna­bis versach­licht und durch weitere Forschung vertieft wird, sowohl im Hinblick auf das medi­zi­ni­sche Wirkungs­spek­trum als auch die gesell­schaft­li­che Bewer­tung.“

Gemein­sam mit der BAS veran­stal­ten die BLÄK, BLAK und die PTK Bayern am 11. April 2018 im Klini­kum rechts der Isar, München, das 17. Sucht­fo­rum mit dem Titel „Grund­fra­gen der medi­zi­ni­schen Verwen­dung von Canna­bis“. Rund 400 Ärzte, Apothe­ker, Psycho­lo­gi­sche Psycho­the­ra­peu­ten, Kinder- und Jugend­li­chen­psy­cho­the­ra­peu­ten, Mita­r­bei­ter von Sucht­hil­fe­ein­rich­tun­gen, Sucht­be­ra­tungs­stel­len sowie weitere mit dem Thema Abhän­gig­keits­er­kran­kun­gen befasste Berufs­grup­pen nehmen daran teil.

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